Dienstag, 6. August 2013

Über Nupps

Wer sich die Bilder von Miralda näher angesehen oder das Tuch auch schon gestrickt hat, wird es gesehen haben: Unmengen von Nupps, diesen kleinen, lästigen Knubbelchen, die zwar irgendwie hübsch aussehen, aber irre nervig zu arbeiten sind. Sie werden so gestrickt, dass man in der Hinreihe aus einer Masche drei, fünf oder sogar sieben rausstrickt (mein Rekord liegt bei neun (!) für Aeolian), die in der Rückreihe alle wieder zusammengestrickt werden. Auf dem Hinweg ist das ja alles noch ok, aber strickt mal in einem Rutsch sieben Maschen links zusammen. Not funny. Man merkt, ich stehe auf Kriegsfuß mit ihnen.


Als ich mit dem Tuch anfing, hatte ich überlegt, die Nupps komplett wegzulassen. Das haben andere Leute auf Ravelry auch schon getan (oder sie gegen Perlen ersetzt, keine Option für mich) und es sah nicht schlecht aus.. aber irgendwas fehlte. Hat wohl doch seinen Sinn, dass die da sind.
Aber das war nicht der einzige Grund, warum ich mich entschloss, sie doch tapfer mitzustricken. In Knitted Lace of Estonia gibt es einen zehnseitigen historischen Abriss über die Spitzentuchproduktion in Estland im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, der sehr interessant zu lesen ist. Die Frauen haben damals ohne geschriebene Anleitungen gearbeitet, auf normalen Metallstricknadeln mit Nüpsi hinten (Rundstricknadeln waren noch nicht erfunden), das muss man sich mal vorstellen. Verkauft wurden die Tücher hauptsächlich an wohlbetuchte (haha!) Damen aus St. Petersburg, früher russischer Tourismus im Baltikum. Der Preis orientierte sich dabei nicht an der Größe des Tuchs oder Komplexität des Musters, es wurde nach Gewicht bezahlt. Und, man ahnt es schon, Nupps verbrauchen soviel Garn, dass - bei entsprechend häufigem Gebrauch im Muster - das Gewicht des Tuchs bei gleichbleibender Größe deutlich erhöht werden konnte, was natürlich mehr Geld einbrachte. Darauf muss man erstmal kommen.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir gefällt die Idee. Nicht, dass ich mich irgendwie in einer Tradition estnischer Spitzenstrickerinnen sehen würde, aber so ein bisschen Althergebrachtes schadet ja nicht und ich mag den Gedanken, der dahintersteckt. Die kleinen Biester sind schrecklich zu stricken, aber in gewisser Weise drücken sie meinen Respekt vor den Strickerinnen aus, die sich mit ihren Tüchern über Wasser halten mussten. Wir "modernen Menschen" vergessen viel zu leicht, dass die meisten Dinge, die wir als selbstverständlich hinnehmen, hart erkämpft wurden und scheuen uns viel zu oft davor, uns ohne direkt sichtbaren Lohn und nur aus Hochachtung vor anderen ein bisschen mehr Arbeit zu machen, als eigentlich nötig wäre. Und sei es nur bei einer Anleitung für ein Spitzentuch aus Estland.

4 Kommentare:

  1. Das find ich superinteressant :)
    Und noch dazu sehen die Nüppel richtig gut aus, also: Tschacka! Du schaffst das!

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  2. Ich habe bei den Nupps immer eine Häkelnadel zu Hilfe genommen, das hat gut geholfen und ich habe weitergemacht ;-)
    Das sieht schon echt toll aus!

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  3. Ich kenne die Nupps bisher noch gar nicht, die sind mir in meinen Strickstücken bislang noch nicht begegnet.
    Schöne Hintergrundinformation dazu, vielen Dank. Finde ich auch sehr interessant und du hast Recht - es stimmt einen nachdenklich.

    chastity64

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  4. Eine interessante Geschichte, vielen Dank dafür. Interessant, dass sich das trotz Mehraufwand und höherem Materialverbrauch trotzdem rechnete.
    Das Muster sieht auf jeden Fall wunderschön aus. Und die Nubbs geben dem Muster irgendwie mehr Tiefe, durch die Materialdichte bringen sie einen ganz anderen Farbwert ein, als das einfach verstrickte Garn.

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